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Aus der Praxis für die Praxis: Digitalisierungsprojekt auf dem Notfall der PDAG

14. Juni 2022

Als erste Klinik in der Schweiz haben die Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) im ORBIS-Klinikinformationssystem (KIS) die Dokumentation des telefonischen Kontaktes digitalisiert. Mit der Einführung dieses neuen Programm-Features entfallen ineffiziente Papiernotizen und der patientenbezogene Datenschutz wird gestärkt. Das Projekt wurde von der Pflegefachfrau Sonja Moser angestossen und in einer mustergültigen Zusammenarbeit mit der Informatik und der Unternehmensentwicklung umgesetzt.

Die Ausgangslage: Sonja Moser ist dipl. Pflegefachfrau auf dem Notfall. Während einer Spätschicht ärgert sie sich einmal mehr über die umständlichen Papiernotizen. Am Telefon ist eine Patientin, die bereits vor einem Tag auf den Notfall angerufen hatte. Sonja Moser weiss, irgendwo im Ablagesystem müssen die Notizen ihrer Kolleginnen sein. Leider lassen sich diese auf die Schnelle nicht finden. Sonja Moser muss daher die Personalien der Patientin erneut aufnehmen.

Noch an diesem Abend erfasst Sonja Moser via dem Meldeportal der PDAG einen Verbesserungsvorschlag: «ID 7003 – Digitalisierung Telefonnotizen Triage». Ein paar Tage später klingelt bei Sonja Moser das Telefon: «Grüezi Frau Moser, herzlichen Dank für Ihren Vorschlag. Gerne möchten wir diesen mit Ihnen zusammen umsetzen.»

Erfolgreicher Projektabschluss und erste Praxiserfahrungen

Mai 2022: Die Digitalisierung der Telefonnotizen ist abgeschlossen. Sonja Moser, Eva Palmeiro (Stationsleiterin), Michel Dang (Leitender Arzt), Josef Moser (Applikationsverantwortlicher ORBIS) und Felix Schaub (Projektleiter) ziehen ein erstes Fazit.

Vor diesem Projekt konnten Patientendaten erst nach der administrativen Falleröffnung in das KIS eingetragen werden. Deswegen wurden die Telefongespräche auf Papier dokumentiert. Mit der neuen Lösung können Patientendaten nun fallunabhängig direkt im KIS erfasst werden. Sonja Moser ist begeistert: «Jetzt sind die Patientendaten für das Notfall-Team jederzeit verfügbar. Ich erkenne sehr schnell, ob die Patientin oder der Patient in den letzten Tagen bereits einmal angerufen hat und welche Vereinbarungen getroffen wurden. Dies erhöht nicht nur meine Effizienz, sondern auch die Qualität der Erstversorgung.» Sonja Moser betont, dass auch ihre Kolleginnen und Kollegen diese Vorteile erkannt haben und der neue Prozess deshalb auf grosse Akzeptanz stösst.

Als Führungsperson legt Eva Palmeiro Wert auf eine verlässliche interprofessionelle Kommunikation und den Datenschutz. «Die neue Lösung überzeugt in beiden Punkten», erklärt Eva Palmeiro und fährt fort: «Neu kann der Notfall-Arzt den Verlauf von seinem Arbeitsplatz aus verfolgen und muss nicht mehr im Stationsbüro die Papiernotizen holen.» Den Pluspunkt betreffend dem Datenschutz erklärt Eva Palmeiro folgendermassen: «Kommt es nach dem telefonischen Kontakt innerhalb eines Jahres zu keinem Behandlungsverhältnis zwischen der Patientin oder dem Patient und den PDAG, werden die erfassten Daten automatisch aus dem KIS gelöscht. Damit ist das «Recht auf Vergessen» ohne den geringsten Personalaufwand sichergestellt.»

Michel Dang, Leitender Arzt Notfall, bestätigt die bisherigen Aussagen: «Die Telefonnotizen bedeuten einen Fortschritt in der Digitalisierung unserer täglichen Arbeit und sind eine Verbesserung des Schutzes unserer sensiblen Daten.»

Informatiker Josef Moser freut sich aus anderen Gründen: «Genau so müssen Digitalisierungsprojekte ablaufen: Ein klares Ziel, Visualisierung des IST- und SOLL-Prozesses, der Systemanbieter an Workshops vor Ort, zeitnahe Rückmeldungen auf Fragen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe – unabhängig von Berufsgruppe und  Funktion.» Eva Palmeiro fasst hier nach: «Der Erfolg dieses Projekts hängt tatsächlich mit dem Setting zusammen: Können, Wollen und Dürfen sind entscheidend. In diesem Projekt durften wir offiziell auf dem ‹kurzen Dienstweg› eine eigene Lösung entwickeln und erhielten dafür die notwendigen finanziellen Mittel. Getreu dem Motto: Aus der Praxis für die Praxis.»

Gibt es auch kritische Stimmen?

Die beiden Pflegeprofis beobachten, dass die digitale Datenerfassung nicht allen Mitarbeitenden gleich leichtfällt. Es besteht einerseits die Gefahr, dass die KIS-Erfassungsmaske das Gespräch mit Patientinnen und Patienten hinderlich strukturiert. Anderseits sind nicht alle Mitarbeitenden ausreichend digital affin, um die Dokumentation während des Gespräches direkt im KIS vorzunehmen. Hier wird temporär doch noch mit Papiernotizen gearbeitet.

Mit seiner langjährigen Erfahrung sieht das Josef Moser gelassen: «Die Mitarbeitenden des Notfalls werden im Umgang mit dem neuen Feature eine steile Lernkurve durchleben und weiter an Effizienz dazugewinnen. Davon bin ich überzeugt.»

Benedikt Niederer

Leiter Innovations- und Digitalisierungsmanagement

Prof. Dr. med. Marc Walter

Klinikleiter und Chefarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Michel Dang

Zentrumsleiter und Leitender Arzt, Zentrum für integrierte Notfallpsychiatrie und Krisenintervention